Ich möchte zuallererst darauf hinweisen, dass die nachfolgenden Informationen keine „Doktorarbeit“, sondern wirklich nur einen kurzen Abriß zum Thema „geriatrisches Vestibularsyndrom“ darstellen. Ich könnte noch auf die Unterscheidung von peripherem und zentralem Syndrom eingehen bzw. auch Formen des Syndroms, welche bei jüngeren Tieren auftreten können, aber das würde den Rahmen extrem sprengen!
Die Bezeichnung Vestibularsyndrom steht für Störungen des Gleichgewichtsorgans, das sich im Innenohr befindet. Das Gleichgewichtsorgan, auch Vestibularapparat genannt, ist ein kompliziert aufgebautes System, dessen Aufgabe es ist, dem Gehirn die Position des Körpers im Raum zu übermitteln.
Ein Schlaganfall aber unterbricht die normale Blutversorgung zum Gehirn, etwa durch eine beschädigte Blutgefäß oder ein Gerinnsel. In der Folge sterben Hirnzellen ab, was die verschiedensten Auswirkungen haben kann. Die Frage, ob Tiere einen Schlaganfall bekommen können, muss tatsächlich mit einem Ja beantwortet werden. Zum Glück sind Schlaganfälle bei Tieren jedoch deutlich seltener als bei Menschen.
Grundsätzlich kann jedes Tier an einer vestibulären Störung erkranken. Am häufigsten betroffen sind jedoch ältere Hunde und Katzen mittleren Alters, daher wird es auch häufig geriatrisches Vestibularsyndrom genannt.
Für den Besitzer erschreckend: Die Symptome können innerhalb von Sekunden bis Minuten auftreten. Das eben noch völlig normal erscheinende Tier, hat plötzlich Mühe, geradeaus zu laufen, läuft im Kreis, schwankt und erscheint desorientiert. Unter Umständen kann er nicht mehr alleine aufstehen, der Kopf ist schief zur Seite geneigt.
Die häufigsten Symptome: • Ataxie (Gangstörungen): Kreislaufen, an der Wand lehnen, zur Seite fallen, Unvermögen zu gehen oder ohne Halt zu stehen, die Vorderpfoten sind überkreuzt • Kopfschiefhaltung: durch das gestörte Gleichgewichtsorgan fehlt dem Tier die Orientierung des Kopfes im Raum • Nystagmus: das ruckartige Wackeln/ Zucken der Augäpfel ist fast beweisend, Schielen kann hinzukommen • Verwirrtheit, Orientierungslosigkeit • Häufig Übelkeit und Erbrechen und Nahrungsverweigerung • manchmal zeigen die Tiere auch Herzrasen
Gibt es Erkrankungen, die zu einem geriatrischen Vestibularsyndrom führen können?
In Studien wurden verschiedene Vorerkrankungen beobachtet, allerdings war keine so häufig vertreten, um sagen zu können: DAS IST ES! An der Spitze sind zumindest Innen- bzw. Mittelohrerkrankungen zu finden:
• Idiopathisch (das heißt man findet keine direkte Ursache) • Mittelohrentzündungen oder Innenohrentzündungen, die nicht in den Griff zu bekommen sind oder nachlässig behandelt werden • Fremdkörper, welche ins Ohr gelangt sind • Medikamentenunverträglichkeit (zum Beispiel Antibiotika mit Aminoglycoside, z.B. Gentamicin, die Gabe von Metronidazol ab einer oralen Dosis von mehr als 60mg/kg/Tag kann bei manchen Hunden zu zentralen vestibulären Symptomen führen, aber auch Ohrreiniger, die Chlorohexidine und Benzalkoniumchlorid beinhalten) • Schilddrüsenunterfunktion wird in Fachkreisen als Ursache immer häufiger genannt • Gefäßerkrankungen, Blutdruckregulationsstörungen, zum Teil mit der Grundlage einer Nierenerkrankung • Kopftrauma oder Kopfverletzungen • Tumore oder Polypen, wobei Tumore eher selten sind, allerdings spielen Polypen, welche in das Innenohr wachsen und sich entzünden, bei Katzen eine größere Rolle!
Wie kann eine Diagnose gestellt werden?
Es gibt tatsächlich keinen Blutwert oder ähnliches, um die Diagnose zu 100% zu sichern. In der Regel finden aber standardisierte Untersuchungen statt. Dazu gehören: • Krankheitsverlauf, klinische und neurologische Untersuchung durch den Tierarzt • Ohruntersuchung • Geriatrisches Blutbild inkl. Schilddüsenparameter (T4, TSH, fT4) • Blutdruckmessung • Unter Umständen bildgebende Diagnostik, wenn Verdacht auf z.B. Polypen oder Tumore besteht
Was macht der Tierarzt?
Häufig werden Infusionen gegeben, speziell, wenn das Tier auch viel erbrochen und dadurch natürlich auch viel Flüssigkeit verloren hat, verbunden mit Medikamenten gegen Übelkeit und Erbrechen. Des Weiteren stehen hochdosierte Vitamin-B-Komplexe im Einsatz und natürlich Behandlung der Ursache, wenn diese z.B. im Bereich Ohrentzündung zu vermuten ist.
Wie ist der Heilungsverlauf?
Die Besserung tritt oft schon nach Stunden bis 3 Tagen ein, auch wenn es kleine Verbesserungen sind. So verschwindet der Nystagmus meist schon nach einigen Tagen. Folgende Punkte solltet Ihr bitte gut beobachten:
1. Kann das Tier ohne Probleme wieder aufstehen? 2. Hat es noch einen schwankenden Gang? 3. Hat es noch eine Kopfschiefhaltung? 4. Leidet es noch an Erbrechen? 5. Hat es noch Schwierigkeiten bei der Futter- und Wasseraufnahme? 6. Zeigen die Augen noch den typischen Nystagmus, also dieses Zucken?
Die Besserung setzt sich kontinuierlich fort und bei vielen Tieren ist das ganze Syndrom bereits nach zwei bis drei Wochen vorbei und die meisten Fellnasen werden wieder vollständig gesund. In Einzelfällen kann eine leichte Kopfschiefhaltung zurückbleiben, Physiotherapie hilft hier sehr gut, um das in den Griff zu bekommen.
Das Vestibularsyndrom kann, muss sich aber nicht wiederholen!
Was kann ich als Besitzer tun?
Das Tier wird sich gerade in den ersten Tagen seeehr unwohl fühlen. Am besten wäre es natürlich, wenn es nicht alleine bleiben muss und Ihr Urlaub nehmen könnt. Dass sich das Vestibularsyndrom wiederholt, kann durchaus vorkommen. Aus diesem Grund ist sicherlich eine ganzheitliche/ naturheilkundliche Unterstützung sinnvoll, zu welcher in jedem Fall auch die Untersuchung der Fütterung gehört.
Generell bitte keine kalte Flüssigkeiten in die Ohren geben, starken Druckunterschied vermeiden (keine Flugreisen!!), Ohrenentzündungen bitte nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Tipps für den Umgang
Eine wichtige Säule der Therapie stellt die häusliche Pflege dar. Was der Hund jetzt ganz dringend braucht, ist viel Sicherheit und Ruhe in seiner gewohnten Umgebung, damit er sich richtig erholen kann. Die Tiere sollten nach Möglichkeit auf dem Boden liegen oder stehen. Der Kontakt zum Boden bietet Orientierung und Stabilität.
Polstert seinen Liegeplatz besonders gut, da er jetzt viel liegen wird. Das Umfeld sollte so sicher wie möglich gestaltet werden, damit die Verletzungsgefahr bei Schwindelanfällen und möglichem Wegrutschen so gering wie möglich gehalten wird, z.B. auch glatte Böden mit Teppichen auslegen, Zugang zu Treppen „verschließen“.
Ganz wichtig ist für mich, dass seine Bezugspersonen da sind, das heißt wirklich „Betreuung rund um die Uhr“. Nehmt euch Urlaub, damit ihr für ihn da sein könnt! (Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich finde das echt wichtig )
Sein Ruhebedürfnis sollte bitte auch von anderen im Haushalt lebenden Tieren und ebenfalls Kindern respektiert werden.
Gerade kleine Hunde bitte nicht einfach hochheben, da dadurch die Symptomatik verstärkt wird. Vor dem Hochheben sollte (ähnlich wie beim Säugling) der Kopf erst fixiert werden (z.B. durch Heranziehen an den Körper), da so eine Verstärkung des Drehschwindels verhindert wird.
Manchmal ist es auch hilfreich, den Körper in eine Decke einzuwickeln.
Auch beim Spaziergang oder Gang in den Garten muss das Tier so gut wie möglich unterstützt werden, z.B. durch ein gutes Geschirr, dass ihm Halt gibt oder zusätzlich ein Tuch, das zur Tragehilfe umfunktioniert wird.
Zusammengefasst die für mich wichtigsten Punkte:
• Der Hund braucht jetzt sehr viel Ruhe. Leinenzwang und "Bettruhe" ist angesagt. So schwindelig, wie es dem Hund vermutlich ist, kann er sich selbst verletzen. Er kann die Treppe herunterfallen oder beim Sprung vom Sofa fallen. Deshalb ist die Kontrolle jetzt so wichtig. • Der Hund sollte auf dem Boden bleiben. Das ist sicherer, und auf dem Boden ist der Schwindel auch nicht so schlimm. Wenn er getragen werden muss, sollte der Kopf gestützt werden. So fühlt er sich sicherer. • Viele Hunde fressen nicht, weil ihnen wegen dem Schwindel übel ist und sie schlichtweg den Napf nicht „treffen“. Fütterung aus der Hand ist dann ein Muß und ebenfalls, ihm immer wieder den Wassernapf hinhalten. • Der Schwindel scheint schlimmer bei Dunkelheit, weil die Augen aufgrund des Nystagmus in der Dunkelheit nicht mehr bei der Orientierung helfen. Nachts ein kleines Licht anlassen hilft dem Tier. • Wenn der Hund nicht von alleine laufen kann, dann braucht er eure Hilfe, d.h. tatsächlich nach draußen tragen, damit er sich lösen kann.
Kräuter wie z.B. Fenchel, Melisse, Kamille oder Pfefferminze beruhigen den Magen und können die Übelkeit lindern. Am besten die getrocknete Pflanze mit heißem Wasser zu einem Tee aufbrühen, zugedeckt 7 Minuten ziehen, abseihen und abkühlen lassen. Das hilft außerdem, den Flüssigkeitshaushalt wieder auszugleichen.
Ulmenrinde enthält viele Schleimstoffe und legt sich wie ein Film auf die Schleimhäute und beruhigt diese. Gerade wenn die Tiere viel erbrechen, kann dies zu Entzündungen im Bereich Magen/ Speiseröhre führen. Ulmenrinde wirkt hier entzündungshemmend und kann auch den Appetit anregen.
Auch eine kleine Prise Ingwerpulver im Futter kann der Übelkeit Paroli bieten.
Für Katzenbesitzer gilt: Pflanzen mit ätherischen Ölen, d.h. die oben genannten bis auf Ulmenrinde, haben in der Katze leider nix zu suchen bzw. sollten nur in Absprache mit einem Therapeuten verabreicht werden! Auch unkontrollierter Freigang ist bis zur Genesung tabu
Soo, ich hoffe, ihr habt einige gute Anregungen und Informationen aus dieser Artikel bekommen. Bitte habt Verständnis, dass ich hier keinen "Therapieplan" veröffentliche, denn ich behandle Tiere nicht pauschal nach Schema X!
Alles gute für euch und eure Fellis!
Danke für den Artikel, meine Dreibeinige Katze ist daran erkrankt. Hab zum Glück alles instinktiv so gemacht wie sie es beschrieben haben aber nach fast 3 Wochen geht es ihr nicht wirklich besser. Ich hoffe das beste und wünsche alles gute.
MfG C.Marciniak